Vorsprung durch Technik - und Hirn

Wenn man ein neues Kapitel anfängt, ist es wichtig, nach einiger Zeit zu schauen, wo man steht, wie die Dinge sich entwickelt haben, ob man die sich selbst gesetzten Etappenziele erreicht hat und vor allem - ob man sich damit noch wohl fühlt. Wohlwissend, dass wir sicher nicht in jedem Moment der letzten sechs Monate alle diese Fragen positiv beantworten konnten.

Wir waren gut - aber nicht sehr gut

 

Etappenziele hatten wir viele, einige haben wir erreicht, einige leider nicht, aber nur ein paar davon lassen sich am Ende auch in Zahlen ausdrücken. Der 2002er Jahrgang hat bis zum heutigen Tag als U16 bislang 20 Spiele absolviert und davon 17 gewonnen. Nach Abschluss der Vorrunde kann man hinter das Thema Klassenerhalt bereits gedanklich ein Häckchen setzen. Mit durchschnittlich 4 Toren je Spiel ist der Jahrgang deutlich torgefährlicher als in der U15-Saison (1,9 Tore je Spiel). Defensiv hat man sich mit 1,5 Gegentoren je Spiel etwas gegenüber der Vorsaison verbessert (1,8 Gegentore je Spiel), ist aber damit noch ein gutes Stück von einer dauerhaft stabilen Defensivleistung entfernt (dazu müsste eine Null vor dem Komma stehen).

 

Die U16, das ist zugleich die einzige Ismaninger Großfeld-Mannschaft, die als reines Jahrgangsteam antritt und die damit auch die (mit Abstand) jüngste Mannschaft der Liga stellt. Wir hatten durchaus den Ehrgeiz zu zeigen, dass ein junger Jahrgang seine älteren (und folglich oft größeren) Gegner fußballerisch in den Griff bekommen kann und Mittel finden kann, um vorne in der Liga mitzuspielen. Und natürlich bin ich damit auch ein Stück weit der eigenen Überzeugung gefolgt, dass es einer Mannschaft gut tut, wenn man auf Kontinuität setzt und nicht jedes Jahr wieder die Mannschaften mischt. Ich kann an dieser Stelle nur allen danken, die diesen Weg mitgegangen sind, weiß ich doch, dass dies keineswegs selbstverständlich ist und hatte ich auch durchaus meine Zweifel, dass jeder diesen Weg mitgehen würde.

Der, der nie zufrieden ist…

Manchmal mag der Eindruck entstehen, dass ich nicht zufrieden mit der U16 bin - und in den meisten Fällen stimmt das dann vermutlich auch. Aber man sollte in diesem Punkt nicht pauschalisieren, in den meisten Fällen gibt es eben weder Anlass hundertprozentig zufrieden zu sein, noch gibt es Anlass, komplett unzufrieden zu sein. Die Wahrheit liegt meist irgendwo dazwischen.

 

Und sollte man auch nicht vergessen, während vielfach eben nur das Spielergebnis als Bewertungskriterium herangezogen wird, ist unser Fokus etwas vielschichtiger. Genauso wenig wie ein Sieg automatisch auf eine gute Leistung zurückzuführen ist, bedeutet eine Niederlage nicht zwangsläufig, dass dahinter eine schlechte, überhebliche oder wie auch immer negativ titulierte Leistung steckt. Diese Art der Bewertung ist zu oberflächlich. Wir bewerten bei uns stets drei Dinge: die Mannschaftsleistung, die Leistung des Einzelnen und das Spielergebnis. Alle drei Dinge sind wichtig.  

 

Hinsichtlich der Ergebnisse kann man nicht furchtbar unzufrieden sein, man hat zwei Liga-Spiele verloren, einmal unentschieden gespielt und achtmal gewonnen. Betrachtet man die gesamte Mannschaft und die Leistungen, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, dann muss man schon feststellen, dass wir in den meisten Spielen (mit Ausnahme von Grafing und Dachau) eine gute Halbzeit gespielt haben, mal war es die erste, mal die zweite, aber nie, in keinem einzigen Spiel, waren es zwei gute Halbzeiten. Unser Spielvortrag ist nicht besonders schnell, wir hatten bisweilen große Probleme im Spielaufbau gegen Angriffspressing und wir haben ebensolche Probleme, wenn wir im letzten Drittel Torchancen erspielen wollen, hier stehen uns auf Mannschaftsebene unter anderem Dinge wie fehlendes Anwenden gruppentaktischer Angriffsmuster und geringes Spieltempo im Wege sowie auf individueller Ebene Dinge wie Einbeinigkeit und unsaubere Technik unter Gegnerdruck.

 

Noch schwieriger wird es, wenn man nur die einzelnen Spieler betrachtet. Wir wollen hier ja sehr bewusst, dass die Jungs mindestens einen, besser noch ein paar mehr Schritte nach vorne machen, also ihre eigenes Repertoire an fußballerischen Möglichkeiten ausbauen und sicherer (sowie schneller) in der Entscheidungsfindung werden, wann was anzuwenden ist. Die Bereitschaft zur Weiterentwicklung ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Es geht nicht darum, ob ein Junge sagt, dass er sich weiterentwickeln will, sondern darum, ob er es tatsächlich tut. Und das ist nicht bei allen der Fall. Wir stellen bei einigen Spielern durchaus eine Stagnation fest. Und an dieser Stelle wird es kompliziert, denn in der aktuellen Spielklasse fällt dieser Umstand weit weniger auf, als es in einer etwas höheren Spielklasse der Fall wäre. Denn trotz aller Selbstzufriedenheit angesichts guter Spielergebnisse, dürfen wir einfach nicht vergessen, in welcher Spielklasse diese erzielt wurden: in der dritt-niedrigsten von sieben möglichen Spielklassen.

 

Die Jungs bringen alle ein ordentliches und gutes Niveau mit, um einen wirklichen Schritt nach vorne zu machen, müss(t)en sie aber an vielen Details arbeiten. Es sind in diesem Alter nicht mehr die großen Dinge (abgesehen von der noch immer latenten Einbeinigkeit vieler Akteure, die vor allem die offensiven Spieler auf ihrem weiteren Weg massiv einschränken wird), die es zu verbessern oder zu erarbeiten gilt, sondern viel Detailarbeit. Es ist im Ergebnis ein himmelweiter Unterschied, ob ich den Ball annehme und mich dann orientiere (diese Zeit bleibt auf höherem Niveau einfach nicht), oder ob ich den Ball annehme, schon weiß, dass ich von links einen Gegenspieler bekommen werde, dass rechts ein Abspiel möglich ist, dies zielgenau an den Mann bringe und zwei Sekunden später schon wieder einen neuen Raum besetzt habe, in dem ich wieder anspielbar bin. Oder, um ein noch einfacheres Beispiel zu wählen, es ist ein ebenso großer Unterschied, ob ich beim, sagen wir Volleyabschluss auf das Tor den Ball zentral treffe oder drei Zentimeter unterhalb der Mitte. Es ist der Unterschied zwischen Ball auf das Tor oder Ball über den Zaun. Das gleiche trifft zum Beispiel auch bei Freistößen zu, bei denen man noch dazu alle Zeit der Welt hat und sich komplett auf die perfekte Ausführung konzentrieren könnte. Je nach Spieler gibt es viele Details, die es zu verbessern gilt, desto besser die einzelnen Jungs das lösen, desto ausgeprägter wird hier der Unterschied zwischen durchschnittlichen, guten und eben sehr guten Spielern in den nächsten beiden Jahren deutlich werden. Eine Tendenz ist durchaus erkennbar, denn wie erwähnt, die Bereitschaft zu Weiterentwicklung, die ja durchaus mit Anstrengung, mit Mühe, mit Aufwand, evtl. auch mit eigenen kleinen Opfern verbunden ist, ist sehr unterschiedlich ausgeprägt.

 

Und deswegen ist es auch richtig, dass wir nicht an der Spitze unserer Liga sind. Vorne dabei zu sein, bei einigen unserer Spieler hat das leider auch das Gefühl aufkommen lassen, wir wären richtig gut. Das mag für diese Spielklasse auch teils zutreffen, aber wir sind lange nicht an dem Punkt, dass wir die sportlichen und persönlichen Entwicklungsschritte vollkommen ausgereizt hätten. Kein einziger Spieler kann von sich behaupten, 100 % von dem in seine Weiterentwicklung eingebracht zu haben, was möglich gewesen wäre. Wir haben eine Handvoll Spieler, die waren sehr nah dran, aber auch die können in dieser Spielzeit noch einige Schritte machen. Aber wir haben eben auch eine Handvoll Spieler, die leider weit davon entfernt waren und sind, die Möglichkeiten dessen, was ihnen möglich wäre, wirklich ausgeschöpft zu haben. Die Tabellensituation mag ihnen suggeriert haben, sie wären auf dem richtigen Weg. In der Realität bedeutet dies aber, Stagnation, also Stillstand jedweder Entwicklung. Und konkret heißt das, dass wir leider Spieler dabei haben, die sechs Monate später noch auf weitgehend die gleiche Ausprägung der Fähigkeiten zurück greifen, die zum Ende der U15 Saison bereits vorhanden war. Das war in der Regel ausreichend für die schwächeren Gegner, aber es hat schon in der Kreisliga für die Mannschaften aus der oberen Tabellenhälfte in drei von fünf Fällen nicht mehr gereicht. Die Mehrheit der Spieler aber bewegt sich irgendwo zwischen diesen beiden Extremen.

Die Hallenzeit als Zeitvertreib? Sicher nicht!

Viele, darunter durchaus auch viele Trainer, tun die Hallenzeit ab als Zeitvertreib. Jedoch, nur weil über uns nun ein Dach statt Himmel und unter uns ein Hallenboden statt (Kunst-)Rasen ist, heißt dies keineswegs, dass wir nicht versuchen könnten, Spiele mit Wettkampfcharakter zu nutzen, inhaltliche Ziele zu setzen und auf diese hinzuarbeiten. Wir nutzen die Hallenturniere im 4 plus 1 durchaus, um uns einige Grundprinzipien zu erarbeiten, die wir ins 10 plus 1 transportieren wollen. Konkret geht es bei uns zum Beispiel um eine Veränderung im Pressingverhalten, die derzeit in der Halle mit nur vier Gegenspielern sogar etwas einfacher zu verstehen und trainieren ist, als mit zehn aktiven Gegenspielern. Wenn man dann sieht, dass nicht wenige schon mit vier Gegenspielern Probleme haben, die geforderten Inhalte umzusetzen, ist dieser Zwischenschritt durchaus nützlich.

Ein zweiter wesentlicher Aspekt ist die wunderbare Tatsache, dass Spieler nirgends so viele direkte Zweikämpfe in kürzester Zeit führen werden, wie in der Halle. Aufgrund der geringen Distanzen zu beiden Toren sind die Ausgänge dieser Zweikämpfe zudem ungleich bedeutsamer als im Freien. Verliert man einen Zweikampf, kann der Gegner mit wenigen Schritten vor das eigene Tore gelangen oder ggf. sogar gleich abschließen, umgekehrt kann man ebenfalls nach gewonnenen Zweikämpfen die schnelle und richtige Entscheidungsfindung hinsichtlich Abschluss, Passspiel und dergleichen mehr in hoher Frequenz üben.

Sehr deutlich zu sehen war dann durchaus, dass uns die schnelle und richtige Entscheidungsfindung in Kombination mit einer präzisen fußballerischen Aktion (z.B. ein genau getimter und dosierter Pass oder ein präziser Torabschluss) Probleme bereitet. Wenn es schnell gehen muss, treffen wir zu viele Fehlentscheidungen und agieren zu wenig präzise. Ebenfalls haben wir Mängel im defensiven 1-gegen-1 recht deutlich feststellen können. Folge waren bei den bisherigen Turnieren deutlich zu viele Gegentore. Auch im Aufbauspiel haben wir längst nicht so dominant und selbstsicher agiert, wie es möglich wäre, hier allerdings zumindest bei Turnier 1 und 3 mit Verbesserungen im Turnierverlauf. Alle angesprochenen Punkte lassen sich trainieren, und dafür sind Hallenspiele letztlich ein sehr probates Mittel.

Wo die Reise hingehen sollte

Zwei Dinge werden für unsere Jungs (weiterhin) entscheidend sein: ihre Technik und ihr Hirn. Natürlich spielen auch Dinge wie Mentalität, Athletik, Ernährung und dergleichen mehr eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der sportlichen Entwicklung, ohne diese Dinge geht es nicht, aber all diese Dinge alleine werden ihnen kaum helfen, dauerhaft erfolgreich zu sein. Fußball ist letztlich, so merkwürdig das auch auf den ersten Blick anmuten mag, ein Individualsport, der im Team gespielt wird. Desto besser die einzelnen Indivualisten sind, desto besser wird am Ende auch die Mannschaft sein. Sicher gibt es Beispiele, wo es nicht gelungen ist, aus guten Indivudualisten ein gutes und funktionierendes Team zu formen, aber ohne individuell überdurchschnittliche oder sogar herausragende Qualitäten fehlt der wichtigste Baustein für ein gutes Team. Jeder einzelne Spieler muss weiterhin enorm in den Ausbau seiner technischen Qualitäten investieren und in die Anwendung dieser Qualitäten in hohem Tempo und unter hohem Druck, egal ob dieser Druck  vom Gegner oder von (eigenen oder externen) Erwartungen erzeugt wird. Es ist super, wenn ein Junge im Training tolle Sachen schafft, aber er muss sie eben ins Spiel bringen können. Das ist Teil eins der Aufgabe. Teil zwei besteht darin, genau diese technischen Qualitäten effektiv einzusetzen, also im richtigen Moment das richtige zu tun. Und dazu müssen sie alle, auch wenn sie das vermutlich am wenigsten nachvollziehen können, das Spiel noch weit besser verstehen lernen, um für sich selbst und für ihre Mannschaft möglichst oft die richtige Entscheidung über das zu treffen, was zu tun ist. Sie müssen lernen, ihre Gegner deutlich besser zu lesen lernen und die richtigen Antworten dafür zu finden. Was es dazu braucht, ist hohe fußballerische Intelligenz und die lässt sich (aktiv!) erarbeiten. 

 

Was hindert die Jungs nun daran, morgen besser zu sein als heute? Wenn man ehrlich ist: nichts. 

Die eigene Entwicklung vorantreiben, dass muss am Ende allerdings jeder selbst.

 

Ich wünsche an dieser Stelle jedem der Jungs ein gutes und gesundes sportliches Jahr 2018 und freue mich darauf, den einen oder anderen Entwicklungsschritt noch gemeinsam mit ihnen zu machen. Wenn sie, hoffentlich dann alle, diese Schritte machen würden, dann wäre es am Ende eine gute Saison gewesen - und zwar ganz unabhängig von unserem Abschneiden.